Zugegeben, es ist nur ein nebensächliches biografisches Detail: Rainer Maria Rilke schnitzte gern mit dem Taschenmesser und beabsichtigte kurz vor seinem Tod sogar, sich bei einem Schreiner ausbilden zu lassen.

Das jedenfalls berichtet Elisabeth Gundolf, die Ehefrau des bekannten Germanisten Friedrich Gundolf, der übrigens durch seine Heirat mit „Elli“ den Bruch mit Stefan George provozierte. Aber das ist eine andere Geschichte. In ihren Erinnerungen Meine Begegnungen mit Rainer Maria Rilke und Stefan George schreibt Elisabeth Gundolf:

Einmal kam es Rilke in den Sinn, mit seinem Taschenmesser Ornamente in einen Baum zu schneiden. Die handwerkliche Geschicklichkeit, mit der er es ausführte, beeindruckte mich sehr. Es ist vielfach dokumentiert, dass Rilke sich oft nach einem Nebenberuf gesehnt hat, einer Tätigkeit für die langen Perioden dichterischer Dürre. […] Ich schlug ihm vor, Holzschnitzer zu werden, wozu er offensichtlich eine natürliche Befähigung hätte. Dies sei auch eine Tätigkeit, die man – im Gegensatz zu der des Arztes – jederzeit ohne Schaden für irgendwen unterbrechen könne. Er griff den Gedanken mit Begeisterung auf: sobald er wieder gesund sei, wolle er damit anfangen.

Er beschloss, nach seiner Heimkehr bei einem benachbarten Dorfschreiner das Handwerk zu erlernen und sich dann selbst eine Werkstatt einzurichten. Mehrmals wiederholte er mir, er sei damit von einer lastenden Sorge befreit; und er verstände nicht, wieso er nicht längst darauf verfallen sei. Der frohe Plan sollte freilich nicht mehr zur Ausführung kommen. Denn Rilkes damaliges Leiden war der Beginn der schweren Blut-Erkrankung, von der er nie mehr genesen ist.

Elisabeth Gundolf, Meine Begegnungen mit Rainer Maria Rilke und Stefan George